"Der Tod wäre besser"
Zerbombte Häuser und zerschossene Fassaden: Thilo Mischke reist für Reportage nach Syrien
Aktualisiert:
von Julia WolferIm Foltergefängnis Palestine Branch saß Martin Lautwein 48 Tage ein - und durchlebte dort die Hölle auf Erden.
Bild: IMAGO/ZUMA Press Wire
Nach dem Fall des Assad-Regimes reist Thilo Mischke für die Reportage "Spurlos verschwunden - der Deutsche aus dem Folterknast" nach Syrien. In Saidnaya und Jarmuk stößt er auf die Spuren unfassbaren Leids.
Wenigen Tagen zuvor wäre die Einreise noch lebensgefährlich gewesen. Doch im Dezember 2024, eine Woche nach dem Sturz des Assad-Regimes, überqueren Thilo Mischke und Martin Lautwein für die Reportage "Spurlos verschwunden - der Deutsche aus dem Folterknast" die Grenze nach Syrien. Sie reisen an den Ort, an dem Martin die Hölle durchlebte.
Uncovered
Thilo Mischke begibt sich in Schattenwelten und trifft Menschen, die sich sonst vor Kameras verbergen. Von Mafia bis Goldgräber: Die Sendung bietet Einblicke in Leben am Rand der Gesellschaft.
Martin Lautwein: 48 Tage im syrischen Folterknast
Als Mitarbeiter einer Hilfsorganisation saß Martin Lautwein 2018 für 48 Tage in der Palestine Branch, einem berüchtigten Foltergefängnis in Damaskus. Schläge, Elektroschocks und Waterboarding wurden zu seinem Alltag. Diese Reise ist sein Weg, sich dem Trauma zu stellen.
Nach über 50 Jahren Assad-Herrschaft wirkt die Stadt erleichtert und ausgezehrt zugleich: Menschen feiern auf den Straßen den Sturz des Regimes, Machtzentren wie die Palestine Branch sind verlassen. Dort liegen Dokumente und Bilder auf dem Boden verstreut. Sie sind stumme Zeugen der vielen Opfer – ebenso wie die zerbombten Häuser überall im Land.
Thilo Mischke und Martin Lautwein im Frühstücksfernsehen
Karims jahrelanges Martyrium
Bei ihrer Recherche stoßen sie auf einen jungen Mann. Er heißt Karim – auch er war Gefangener der Palestine Branch. Es ist das erste Mal, dass Martin Lautwein auf jemanden trifft, der zeitgleich mit ihm durch die Hölle ging. Sofort entsteht eine Verbindung zwischen den Männern.
Karim kam schon als Teenager ins Gefängnis – angeblich, weil er gegen das Regime war. Später wurde er erneut inhaftiert. Rund zehn Jahre seines Lebens war er dem syrischen Folterapparat ausgeliefert - geschlagen, getreten, ausgehungert. Doch Karim hat überlebt.
Saidnaya – das "human slaughter house"
Um zu verstehen, wozu Assads grausamer Folterapparat fähig war, fahren sie gemeinsam nach Saidnaya - dem Militärgefängnis, das Amnesty International als "human slaughter house" bezeichnet, ein "Schlachthaus für Menschen". Auch hier war Karim inhaftiert.
Als Karim den massiven Beton-Klotz rund 60 Kilometer von Damaskus erblickt, übermannen ihn die Emotionen. Sieben Jahre zuvor wurde er von der Polizei dorthin gebracht, allein neun Monate verbrachte er in Einzelhaft. Seine Zelle: Eine winzige Beton-Kammer – ohne Licht, ohne Möbel.
Viele Male habe er wegen des Hungers geweint. "Sie ließen uns oft zwei Tage lang ohne Essen zurück", erzählt Karim. "Wenn ich um eine Decke bat, schlugen sie mich schwer." In den Gruppenzellen war die Situation nicht besser: Über einhundert Gefangene wurden auf engstem Raum zusammengepfercht.
Der Tod wäre viel besser.
Zehntausende starben in Saidnaya
Angesichts der Zellen und Räume, die ihm so schrecklich vertraut sind, bricht ein Schwall schwarzer Erinnerungen aus Karim heraus. "Sie riefen: Ihr Bastarde der Zellen. Der Name, den ich rufe, wird sich nackt ausziehen und herauskommen", erzählt Karim. Dann seien diese Menschen weggebracht worden.
Montags und donnerstags wurden Menschen hingerichtet.
Bis zu 300.000 Menschen verschwanden laut Schätzungen während der Assad-Herrschaft. Zehntausende Menschen starben allein in Saidnaya – durch Massenhinrichtungen, Folter oder Hunger. Auch Karim verlor zwei Brüder und seinen Vater an Assads Schergen. Seine Mutter war schon tot, als das alles begann - nur ein Bruder ist ihm geblieben. "Die haben mir alles zerstört", sagt Karim.
Jarmuk – ein Mahnmal für die Gräuel des Assad-Regimes
Zerstört ist auch seine Heimat Jarmuk. Das einst lebendige Stadtviertel in Damaskus liegt heute in Schutt und Asche. Es ist das erste Mal seit seiner Haft, dass Karim dorthin zurückkehrt. Wo er früher mit seinen Freunden Karten spielte, stehen heute nur noch Ruinen. Jarmuk ist wie so viele Orte in Syrien ein Mahnmal für die Gräuel des Assad-Regimes.
Aber Karim blickt nach vorne. "Alles kann repariert werden", sagt er. Er sei noch jung, könne arbeiten. "Ich kann wieder aufbauen, wer ich bin. Es ist schwierig, aber alles wird vorübergehen und Teil der Vergangenheit werden", sagt Karim.
Thilo Mischkes Reportage "Uncovered: Der Deutsche aus dem Folterknast" zeigt schonungslos, was Assads jahrzehntelange Gewaltherrschaft mit dem Land und den Menschen gemacht hat. Begleite Martin Lautwein und Karim auf einer emotionalen Reise in eine dunkle Vergangenheit – jetzt auf Joyn.
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