Der lange Weg zum Frieden
Wie enden Kriege? Warum Frieden mehr sein muss als Waffenstillstand
Aktualisiert:
von JW"Kein Krieg" - Wie lässt sich das dauerhaft umsetzen?
Bild: Longfin Media/stock.adobe.com
Seit über drei Jahren herrscht nun in der Ukraine Krieg – und es ist nur einer von vielen Kriegsschauplätzen in der Welt. Im Jahr 2023 gab es mehr Gewaltkonflikte als je zuvor, und viele dauern bis heute an. Aber wie enden Kriege – und wie kann Frieden entstehen? Außerdem: "Galileo" begleitet drei Menschen, die trotz ihrer Kriegserfahrungen an den Frieden glauben.
Am frühen Morgen des 24. Februar 2022 war in der Ukraine plötzlich nichts mehr, wie es war: An diesem Tag begann Russland seinen völkerrechtswidrigen Angriff auf das Land an der Schwarzmeerküste. Seitdem herrscht wieder Krieg in Europa - und das ist nur einer von zahlreichen gewaltsamen Konflikten: Gaza, Syrien, Somalia, Sudan – Millionen Menschen leiden weltweit unter Kriegen, deren Zahl in den vergangenen Jahren stetig zugenommen hat.
Wann wird ein Konflikt zum Krieg?
Völkerrechtlich betrachtet wird ein Konflikt dann zum Krieg, wenn zumindest eine der beteiligten Parteien den Krieg erklärt hat. In der Praxis kommt das tatsächlich nur selten vor, sodass der Begriff Krieg völkerrechtlich fast vollständig durch den Begriff "bewaffneter Konflikt" abgelöst wurde. Bei den meisten Kriegen handelt es sich häufiger um innerstaatliche Konflikte als um Konflikte zwischen zwei oder mehr Staaten.
Doch so schnell Konflikte und Kriege eskalieren können: Sie zu befrieden, ist oftmals ein langwieriger Prozess, der Jahrzehnte dauern kann. Doch wie können Kriege beendet werden – und wann kann man überhaupt von Frieden sprechen?
Kriege enden selten mit klarem Ergebnis
Die Geschichte zeigt: Es gibt verschiedene Wege, wie Kriege enden können – zum Beispiel durch eine militärische Pattsituation, durch die Intervention Dritter oder eine Kapitulation. Dass eine Kriegspartei aufgibt und ihre Niederlage anerkennt – so wie 1945 die deutsche Wehrmacht – ist nach Angaben von Expert:innen allerdings eher selten.
Laut dem Friedensgutachten 2023, an dem mehrere deutsche Friedens- und Konfliktforschungsinstitute beteiligt sind, enden:
nur 20 Prozent der zwischenstaatlichen Kriege mit einem klaren Ergebnis, etwa durch einen militärischen Sieg,
rund 30 Prozent ohne klares Ergebnis – es gibt kein formales Ende. Die Kriegsparteien hören einfach auf zu kämpfen, sei es durch einen vereinbarten Waffenstillstand oder aufgrund militärischer Erschöpfung. Doch ohne ein Friedensabkommen können die Konflikte jederzeit wieder aufleben,
die meisten Kriege – etwa 50 Prozent – am Verhandlungstisch. Doch auch in diesem Fall kann die Gewalt oft Jahre später wieder aufflammen, wie das Beispiel des ehemaligen Jugoslawiens zeigt.
Die ernüchternde Statistik zeigt auch: Kriege, die nicht innerhalb des ersten Jahres beendet werden, haben eine hohe Wahrscheinlichkeit, zu langen Kriegen zu werden – die sich im Durchschnitt über zehn Jahre hinziehen.
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Was sind die Voraussetzungen für dauerhaften Frieden?
Kommunikation: Gespräche der verfeindeten Parteien sind eine zentrale Voraussetzung, um Kriege zu beenden und Frieden zu ermöglichen. Je mehr Gräueltaten im Rahmen des Konflikts begangen wurden, desto schwerer wird es allerdings, die Gesprächskanäle offen zu halten.
Vermittler: Um einen stabilen Frieden zu ermöglichen, braucht es neutrale Parteien, die zwischen den verfeindeten Mächten vermitteln. Laut dem Historiker Jörn Leonhard ist "die Chance, dass ein Frieden hält, umso größer, je mehr auswärtige Mächte bereit sind, sich in einer Konfliktregion positiv zu engagieren", wie er im Interview mit dem "Deutschlandfunk" sagte.
Vertrauen: Kommt es zu Friedensverhandlungen, müssen die Kriegsparteien darauf vertrauen können, dass der Gegner die getroffenen Vereinbarungen auch einhält. Wurden in der Vergangenheit bereits Vereinbarungen oder Versprechen gebrochen, erschwert das die Verhandlungen erheblich.
Siegeschancen: So bitter es klingt: Frieden wird wahrscheinlicher, wenn die Konfliktparteien ihre Erfolgsaussichten als eher gering einschätzen. Je geringer der Glaube an einen Sieg, desto höher die Wahrscheinlichkeit für Friedensgespräche.
Friedensarbeit: Ist der Krieg beendet, beginnt die eigentliche Friedensarbeit. Ein vertraglicher Friedensschluss allein reicht nicht aus. Wichtig ist, dass Feindbilder abgebaut und neues Vertrauen aufgebaut wird.
Frieden ist mehr als das Schweigen der Waffen – er ist das Ergebnis eines komplexen, oft langwierigen Prozesses. Damit aus einem Waffenstillstand ein dauerhafter Friede wird, braucht es Dialog, Vermittlung, Vertrauen und den Mut, alte Feindbilder aufzubrechen. Vor allem aber ist Friedensarbeit keine einmalige Maßnahme, sondern eine kontinuierliche Aufgabe, die weit über das Kriegsende hinausreicht - oft über Generationen hinweg. Nur wenn diese Bedingungen erfüllt sind, kann ein Konflikt dauerhaft überwunden werden.
Wann spricht man von Frieden – und was ist ein "fauler Frieden"?
Es gibt keine allgemeingültige Definition für Frieden. Generell ist damit die Abwesenheit von Krieg, Gewalt und Feindseligkeit gemeint – sowohl zwischen Staaten als auch innerhalb von Gesellschaften. Heute gehören zu Frieden auch politische Stabilität und soziale Sicherheit sowie die Aufarbeitung und Verfolgung von Kriegsverbrechen.
Als "faulen Frieden" bezeichnet man einen oberflächlichen Zustand ohne offenen Konflikt, in dem jedoch Ungerechtigkeiten, Spannungen oder Feindseligkeiten fortbestehen. Ein Beispiel dafür ist das Verhältnis zwischen Nord- und Südkorea: Das 1953 beschlossene Waffenstillstandsabkommen wurde seitdem tausendfach verletzt. Sprich: Es herrscht oberflächlich Ruhe, aber keine echte Versöhnung oder nachhaltige Lösung der Konfliktursachen.
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