Alemannenschule in Baden-Württemberg
Linda Zervakis ist begeistert von einer Schule ohne Unterricht: "So könnte moderne Bildung aussehen"
Aktualisiert:
von Claudia FrickelDie Alemannenschule setzt auf unkonventionelle Bildungswege.
Bild: ProSieben/dpa
Diese Schule kommt ohne Schulbücher und Klassenarbeiten aus, die Schüler:innen organisieren sich selbst: Mit diesem radikal anderen Bildungskonzept ist die Alemannenschule sehr erfolgreich. Nach dem Besuch sagt Linda Zervakis: "Hier wäre ich gern zur Schule gegangen."
Selbstbestimmt und gemeinsam: So lernen die Kinder an der Alemannenschule
Frontalunterricht, Jahrgangsstufen, Stundenplan, Klassenräume, Schulbücher und Klassenarbeiten: Das alles gibt es an der baden-württembergischen Alemannenschule nicht.
Die knapp 900 Schüler:innen lernen stattdessen selbstbestimmt: Sie teilen sich eigenständig ein, womit sie sich beschäftigen wollen, und wann. Alle sind mit einem Tablet ausgerüstet, mit dem sie auf Themen, Module und Videos zugreifen können. Dort führen sie außerdem ein Lerntagebuch. Ihre Prüfungen schreiben sie erst, wenn sie sich dazu bereit fühlen. Sie heißen hier "Gelingensnachweise". Auch die Schüler:innen haben eine andere Bezeichnung, sie werden Lernpartner:innen genannt.
In Hauptfächern wie Deutsch, Mathe und Englisch gibt es Input-Angebote, die Teilnahme ist aber freiwillig. Nebenfächer finden nachmittags in Form von mehrstündigen "Clubs" statt, oft außerhalb der Schule, zum Beispiel im Wald, in Firmen, im Rathaus oder im Seniorenheim.
Wo sie sich hinsetzen, bleibt den Kindern und Jugendlichen ebenfalls selbst überlassen. Das Lernatelier ist ein riesiger Raum mit Sitzplätzen und Schreibtischen auf verschiedenen Ebenen und in Lernecken. Alle haben einen persönlichen Arbeitsplatz, es gibt aber zudem Bereiche, wo mehrere Kids zusammen lernen können - was sie auch tun. Die Atmosphäre ist konzentriert, alle flüstern nur. "Mir fällt auf, wie wahnsinnig ruhig und friedlich es hier ist", staunt Linda Zervakis bei ihrem Besuch.
Trotz der Selbstoganisation der Schüler:innen gibt es weiterhin Lehrkräfte, die hier Lernbegleiter:innen oder Coaches heißen. Sie helfen weiter, wenn Kids Fragen haben. Einmal pro Woche setzen sie sich zu einer Coaching-Stunde mit einem Kind oder Jugendlichen zusammen und geben Tipps sowie Anregungen.
Unterricht ist aller Übel Anfang - er macht Lehrkräfte und Schüler:innen kaputt
Hier kannst du die Reportage anschauen
Die Alemannenschule ist eine staatliche Gemeinschaftsschule mit Haupt-, Real- und Gymnasialschüler:innen, die alle zusammen lernen. Sie steht in der baden-württembergischen Gemeinde Wutöschingen, nahe der Schweizer Grenze. Viele der 7.000 Einwohner:innen sind in der örtlichen Industrie beschäftigt.
Einige der Kids kommen von weiter weg, so wie Vanessa Jehle. Die Neuntklässlerin nimmt jeden Tag 1,5 Stunden Anfahrt in Kauf - sie wollte unbedingt hier zur Schule gehen. Warum, das erzählt sie Linda Zervakis in der Reportage "Dumm, dümmer, Deutschland? Raus aus der Bildungskrise". Dort siehst du auch, wie Vanessa der Reporterin bei einer Tour alle Besonderheiten ihrer Schule zeigt.
Linda Zervakis ist "total fasziniert" von dem Konzept und der Wertschätzung, die Kinder an der Schule bekommen. Sie sagt: "So könnte moderne Bildung aussehen." Hier wäre sie "gern zur Schule gegangen".
Das Schulgebäude der Alemannenschule setzt auf offene Ebenen und Arbeitsbereiche.
Bild: picture alliance / dpa
"Die Bedürfnisse der Kinder stehen im Mittelpunkt": Das Erfolgsrezept der Schule der Zukunft
"Wenn wir unser Bildungssystem auf Vordermann bringen wollen, ist radikales Umdenken nötig." Das sagt Stefan Ruppacher, von 2005 bis 2024 Rektor der Allmanenschule. Er hat die frühere Grund- und Hauptschule 2011 radikal umgebaut. Sie galt als Brennpunktschule. Ab 2019 kam eine gymnasiale Oberstufe dazu.
Sein Schulkonzept stellt für ihn "die Bedürfnisse der Kinder in den Mittelpunkt". Sie könnten sich selbst verwirklichen und lernten von kleinauf: "Ich kann mein Leben gestalten". In einer normalen Schule seien sie nicht selbstwirksam, weil ihnen immer eine Lehrkraft sage, was sie tun müssten.
Der Erfolg gibt Ruppacher Recht: Regelmäßige Vergleiche zeigen, dass die Leistungen der Schüler:innen oft über dem baden-württembergischen Landesdurchschnitt liegen, auch bei den Abiturnoten.
Die Reportage "Linda Zervakis: "Dumm, dümmer, Deutschland? Raus aus der Bildungskrise" kannst du kostenlos auf Joyn sehen. Dort erfährst du außerdem, warum eine Lernbegleiterin lernen musste loszulassen, wie sich die Schule problemlos finanziert und warum Ex-Schulleiter Ruppacher findet, dass Kinder und Jugendliche sich mehr wehren sollten.
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