Social Media im Visier
"Hart aber fair"-Debatte: "Ich werde unruhig, wenn jemand sagt: Wir müssen Hass und Hetze im Netz bekämpfen"
Aktualisiert:
von Claudia FrickelKristina Schröder (CDU) verteidigt ihre klare Meinung zu Hassrede auf Social Media.
Bild: WDR/Dirk Borm
Was ist Hass und was ist von der Meinungsfreiheit gedeckt? Bei der Debatte um Social Media bei "Hart aber fair" stand CDU-Frau Kristina Schröder mit ihrer Meinung allein auf weiter Flur.
"Meine Kollegin Dunja Hayali wurde 100-fach mit dem Tod bedroht", beklagte die ehemalige ZDF-"heute"-Moderatorin Petra Gerster bei "Hart aber fair". Auslöser war Hayalis Anmoderation zu einem Beitrag über den Tod des rechten US-Influencers Charlie Kirk. Solche Drohungen seien nicht nur strafbar, betonte Gerster, sondern auch ein gezielter Versuch, Menschen zum Schweigen zu bringen.
Social-Media-Plattformen müssten zur Verantwortung gezogen werden - nicht nur bei strafbaren Inhalten, sondern auch bei Misogynie, Rassismus und Antisemitismus, forderte sie. Beiträge dieser Art müssten von Facebook und Tiktok konsequent gelöscht werden.
Kristina Schröder widersprach entschieden: "Nein!", rief die CDU-Politikerin und ehemalige Bundesfamilienministerin dazwischen. Damit stellte sie sich bei "Hart aber fair" gegen die übrigen Diskussionsteilnehmer:innen. "Ich werde unruhig, wenn jemand sagt, wir müssen Hass und Hetze im Netz bekämpfen", erklärte sie.
Sie forderte eine klare Trennung zwischen strafbaren Aussagen und solchen, die "unterhalb der Strafbarkeitsgrenze" liegen. Letztere müssten stehenbleiben. Denn in einem Rechtsstaat gelte: "Was nicht verboten ist, ist erlaubt." Gerade bei Themen wie Misogynie oder Rassismus sei oft umstritten, was juristisch darunter falle. Es gebe Versuche, die Meinungsfreiheit einzuschränken - eine Entwicklung, die sie als "hochproblematisch" bezeichnete.
Für diese Haltung erntete sie deutlichen Widerspruch. Louis Klamroth musste kaum noch moderieren, die Teilnehmer:innen der Runde diskutierten hitzig untereinander. Rechtsanwalt Chan-jo Jun, der sich gegen Hass im Internet engagiert, kritisierte die Politikerin: "Immer wenn geltendes Recht durchgesetzt werden soll, kommt jemand und sagt: Die Meinungsfreiheit ist bedroht".
Auch Lehrer und Tiktok-Influencer Nicolas Schmelzer hielt dagegen: "Wir leben in einer Welt, in der eine Regulierung überhaupt nicht funktioniert." Plattformen würden rechtsextreme und verfassungsfeindliche Inhalte nicht löschen. "Es geht nicht darum, dass wir aus Versehen zu viel regulieren könnten", sagte er. Das Gegenteil sei der Fall: "Wir tun das eindeutig zu wenig."
Jun ergänzte, dass es bis zu drei Jahre dauern könne, bis ein Gericht über die Rechtswidrigkeit eines Inhalts entscheide. Bis dahin blieben fragwürdige Beiträge online. Facebook, Tiktok und andere Plattformen hätten wenig Anlass, von dieser Praxis abzuweichen: Sie verdienten schließlich Geld mit solchen Inhalten. "Es würde schon helfen, wenn sie sich an unsere Gesetze halten würden. Warum akzeptieren wir, dass sie es nicht tun?", fragte Jun.
Für den erfolgreichen Tiktok-Influencer Levi Penell dauert es viel zu lange, bis jeder Kommentar auf Rechtswidrigkeit geprüft werde. Als die CDU-Politikerin ihn fragte, welchen Maßstab er denn anlegen wolle, sagte er: "Eine menschliche Perspektive." Wenn online etwa der Körper eines Kindes kommentiert werde, sei das womöglich nicht strafbar - "aber wir können uns doch darauf einigen, dass das gewisse Grenzen überschreitet." Solche Beiträge müssten sofort entfernt werden. Ob sie tatsächlich strafbar sind, könne man anschließend prüfen.
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Tiktok ist eine der beliebtesten Social-Media-Apps bei jungen Nutzer:innen.
Bild: picture alliance/dpa
Soll Social Media für Jugendliche verboten werden?
2,5 Stunden verbringen 10- bis 17-Jährige jeden Tag auf Social-Media-Plattformen, zitierte Klamroth aus einer Studie der DAK und der Uniklinik Eppendorf. Für Kristina Schröder und Petra Gerster ist das zu viel. Levi Penell konterte: "Das ist gerade mal so viel wie Tagesschau, Tatort und noch ein bisschen mehr."
Schröder argumentierte, beim Fernsehen könnten Eltern mit ihren Kindern über die Inhalte sprechen. Penell entgegnete: Über Tiktok und Instagram würden Teeanger am nächsten Tag in der Schule diskutieren.
Sollten Facebook, Instagram und Tiktok für unter 16-Jährige verboten werden, wie es Australien plant? "Ich glaube, das ist falsch", meinte Penell. "Irgendwann kommen sie ja doch damit in Kontakt." Es sei besser, ihnen zu zeigen, wie sie besser damit umgehen könnten.
Und was ist mit einem Bann von Handys in Klassenzimmern, der in einigen Schulen bereits gilt? Lehrer Nicolas Schmelzer hält von einem generellen Verbot nichts. "Das Ziel sollte doch eher sein, dass Kinder einen guten Umgang lernen." Sie sollten lernen, wie sie Social Media konsumieren und das Handy nutzen könnten, ohne sich hinterher leer zu fühlen. Er hatte ein weiteres Argument dagegen: In der Schule könnten Lehrkräfte bei Cybermobbing helfen. "Wenn Handys aus der Schule verbannt werden, findet das Mobbing dort statt, wo keine Unterstützung möglich ist."
CDU-Politikerin Kristina Schröder ließ sich davon nicht überzeugen: Sie halte es für sinnvoll, wenn "es eine Zeit gibt, in der Kinder kein Handy benutzen."
"Hart aber fair": Polit-Talk mit echtem Schlagabtausch
Ein aktuelles und umstrittenes Thema aus Politik, Wirtschaft oder Gesellschaft steht immer im Mittelpunkt von "Hart aber fair". 75 Minuten lang diskutiert Louis Klamroth live mit seinen Gästen. Einspieler erklären, worum es geht, und liefern Hintergrund-Informationen. Zu Wort kommen in der Polit-Talkshow immer auch Bürger:innen oder Betroffene.
Dabei kommt es nicht selten zwischen den Gästen zu hitzigen Diskussionen und Wortgefechten. Überzeuge dich selbst. Bei uns kannst du live zusehen, montags um 21 Uhr.
Sieh dir hier den Livestream der nächsten Ausgabe von "Hart aber fair" an
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