Die Macht der Clans

"Töten wurde für mich normal": Ein Ex-Mafia-Boss packt bei "taff" aus

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von Julia Wolfer

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Die Mafia in Neapel: Ein Ex-Killer packt aus

Videoclip • 08:18 Min • Ab 12


Gennaro Panzuto mordete, ohne mit der Wimper zu zucken. Antonio Ardituro brachte schon viele Kriminelle hinter Gitter. So unterschiedlich die beiden Männer sind - sie haben eines gemeinsam: Beide sind Zielscheiben der Mafia. "taff" begibt sich mitten in den Kampf gegen das organisierte Verbrechen.

Die Quartieri Spagnoli (Deutsch: die spanischen Viertel) gehören zu den ärmsten Stadtvierteln Neapels. In diesem Labyrinth aus engen Gässchen herrscht der Clan Camorra seit Jahrzehnten. Genau hier trifft das Team von "taff" einen Mann, der viel über die Machenschaften der kriminellen Organisation zu erzählen weiß: Gennaro Panzuto war einst selbst Mafia-Boss - und Killer.

"In jeder Gasse hier hat es schon Tote gegeben", erzählt Panzuto. "Töten wurde für mich normal - die Lösung jeden Konflikts." Früher verübte der heute 50-Jährige Morde im Auftrag der Camorra, heute lebt er als Kronzeuge mit dem ständigen Risiko, selbst zum Opfer zu werden. "Hier kann es mich jederzeit treffen", sagt er, als er mit dem Team von "taff" durch die Straßen der Quartieri Spagnoli schlendert.

Armut treibt Menschen in die Arme der Mafia

Sein Lebensweg ist exemplarisch für eine Stadt, in der Armut und Perspektivlosigkeit Kinder in die Arme der Camorra treiben. Panzuto wuchs in einem Keller auf - ein Zimmer für eine vierköpfige Familie. Sein Vater: arbeitslos. Seine Mutter: Putzkraft. Die Familie: bitterarm. "Meine Familie hat gestohlen, um sich Heroin zu verschaffen", erzählt Panzuto.

Den Drogen verfiel Panzuto nicht - wohl aber dem kriminellen Leben. Mit 14 begann er, Touristen Uhren von den Handgelenken zu klauen, mit 16 startete seine Karriere als Clan-Killer. Schon neun Jahre später, mit 25 Jahren, stand er an der Spitze des Piccirillo-Clans. Ein Tattoo auf seinem Arm erinnert ihn bis heute daran: 13 Punkte - sie stehen für 13 Menschenleben, die er genommen hat.


Die ungebrochene Macht der Mafia

Bis heute sind viele Gebiete in Italien fest in den Händen der Mafia. Zu den bekanntesten Familien zählen die sizilianische Cosa Nostra, die kalabrische 'Ndrangheta und die neapolitanische Camorra - wie in Panzutos Heimatstadt Neapel.

In den 1980er- und 1990er-Jahren starben in Italien jedes Jahr bis zu 600 Menschen durch Clan-Gewalt, im Rekordjahr 1991 sogar fast 2.000. Heute sind es noch rund zwei Dutzend - fast immer interne Abrechnungen. Doch das heißt nicht, dass der Einfluss der Mafia schwächer geworden ist.

Laut einer Studie aus dem Jahr 2023 erwirtschaften die Mafia-Clans jährlich rund 40 Milliarden Euro. Das entspricht etwa zwei Prozent der italienischen Wirtschaftsleistung - ein Umsatz vergleichbar mit dem der Deutschen Bahn.

Zehntausende Unternehmen in Italien sind mit der Mafia verflochten, doch ihr Einflussgebiet reicht weit über Italien hinaus. Schutzgeld, Drogenhandel, Immobiliengeschäfte, Prostitution - die Palette ihrer internationalen Geschäftszweige ist breit.

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Vom Mafia-Killer zum Kronzeugen

Für Mafiosi Panzuto kam der Wendepunkt 2006. Ein abgehörter Mordauftrag brachte ihn ins Visier der Ermittler:innen. Er floh nach England, wo er 2007 verhaftet wurde. 13 Jahre verbrachte er hinter Gittern, bis ihn seine damalige Partnerin schließlich vor die Wahl stellte: Kronzeuge werden - oder Frau und Kinder verlieren. Seitdem arbeitet er mit der Justiz zusammen. Zahlreiche Mafiosi landeten dank seiner Aussagen mittlerweile im Knast.

Heute lebt Panzuto in einer bescheidenen Wohnung, immer noch in seiner Heimatstadt Neapel. Er hat einen Verein gegen die Mafia gegründet, spricht in Schulen und warnt als TikTok-Influencer seine rund 135.000 Follower vor den Verlockungen des Mafia-Lebens.

Panzuto weiß, dass es für seine grausamen Taten keine Wiedergutmachung gibt. "Ich werde mir nie verzeihen, dass ich dafür verantwortlich bin, dass so viele Kinder ohne Vater aufgewachsen sind", sagt er. Doch er will zumindest teilweise zurückgeben, was er so vielen Kindern Neapels genommen hat.


Ein Staatsanwalt im Fadenkreuz der Mafia

Dafür setzt Panzuto sein Leben aufs Spiel - er wurde zur Zielscheibe der Mafia. Das verbindet ihn mit einem Mann, der von Anfang an auf der anderen Seite stand: Staatsanwalt Antonio Ardituro, Italiens erfolgreichster Mafia-Jäger. Seit mehr als 30 Jahren kämpft er gegen die organisierte Kriminalität - und lebt seitdem unter Personenschutz.

"Der Tod gehört zum Beruf dazu", sagt Ardituro trocken. Er weiß, was das bedeutet. In seinem Büro stehen die Bücher von Giovanni Falcone und Paolo Borsellino, zwei Richtern, die 1992 wegen ihres Einsatzes gegen die Mafia ermordet wurden. "Vor ein paar Jahren wurde auch meine Eskorte aufgestockt, weil viele Staatsanwälte - ich inklusive - Morddrohungen von Mafia-Clans bekommen haben."

Personenschutz bis in den Kreißsaal

Sein Leben ist seitdem ein Ausnahmezustand. "Ein normales Privatleben gibt es für mich nicht", erzählt Ardituro. "Selbst in den Kreißsaal wurde ich von meiner Eskorte begleitet." Seine Kinder kennen es nicht anders. Seine Frau musste lernen, das ständige Aufgebot von Bodyguards in Alltag und Urlaub zu akzeptieren.

Doch warum entscheidet sich ein Mafia-Aussteiger wie Gennaro Panzuto, trotz aller Gefahren, in Neapel zu bleiben - im Herzen der Camorra? Und warum hat sich Staatsanwalt Antonio Ardituro diesem lebensgefährlichen Kampf gegen die Mafia verschrieben? Das erfährst du in der "taff"-Reportage "Die Mafia in Neapel: Ein Ex-Killer packt aus" auf Joyn.


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