Angst vor Nahrung
Ess-Störung ARFID: Womit haben Betroffene der seltenen Krankheit zu kämpfen?
Aktualisiert:
von Julia WolferAuf Joyn ansehen
Wenn Essen Angst macht: 10 Fragen an einen ARFID-Betroffenen
Videoclip • 11:27 Min • Ab 12
Fischstäbchen, Weißbrot und Schokolade: Pippos Essenswelt ist seit Jahrzehnten extrem klein – er leidet an der seltenen Ess-törung ARFID. Jetzt wagt er mit einer Instagram-Challenge das Experiment seines Lebens und probiert neue Lebensmittel. "Galileo" hat ihn begleitet. Wird er seinen Ekel überwinden?
Bei Essstörungen denken die meisten an Anorexie oder Bulimie. Es gibt jedoch weitere Formen, die weit weniger bekannt sind – so wie ARFID. Die Abkürzung steht für Avoidant Restrictive Food Intake Disorder, auf Deutsch: Vermeidende und restriktive Nahrungsaufnahme-Störung. Weltweit sind rund fünf Prozent der Menschen davon betroffen.
Erst seit wenigen Jahren ist das Krankheitsbild überhaupt offiziell anerkannt. In den USA gibt es die Diagnose seit 2013, in Europa erst seit 2018. Anders als bei Magersucht oder Bulimie steht bei ARFID nicht die Angst vor Gewichtszunahme im Vordergrund. Vielmehr steckt dahinter ein tief sitzender Ekel vor bestimmten Lebensmitteln – mit normalem wählerischem Essverhalten hat das nichts zu tun.
Die Ursachen von ARFID - und die Folgen
Die Erkrankung entsteht oft im Kindesalter. "Meistens sind es mehrere Ursachen, die dabei eine Rolle spielen", erklärt Diplom-Ernährungswissenschaftlerin Natalie Quagliata in "Galileo". Genetische Faktoren können ebenso hineinspielen wie psychologische oder soziale. Häufig ist auch ein traumatisches Erlebnis in Zusammenhang mit Essen. Die Folge: ein extrem eingeschränktes Spektrum an Lebensmitteln – und eine dadurch drohende Mangelernährung.
Die Störung kann aber nicht nur gesundheitliche Folgen haben, sondern auch zu sozialer Isolation führen. Denn wer nichts anderes als eine Handvoll vertrauter Lebensmittel isst, hat es im Alltag schwer. Restaurantbesuche, Urlaubsreisen oder Einladungen zum Abendessen werden für Betroffene zum Spießrutenlauf – denn häufig stoßen sie in ihrem Umfeld auf Unverständnis. Die Konsequenz: Viele Betroffene ziehen sich zurück.
Fischstäbchen, Weißbrot und Schokolade
Wie sich ein Leben mit ARFID anfühlt, weiß Pippo nur zu gut. Er lebt seit 36 Jahren mit der Essstörung, die bei ihm im Alter von fünf Jahren begann. "Ab dem Zeitpunkt, wo diese Essstörung anfing, habe ich nur Fischstäbchen gegessen an warmen Gerichten, plus Weißbrot und Schokolade", erinnert er sich in der "Galileo"-Reportage.
Seit 36 Jahren stehen Fischstäbchen daher fast täglich auf seinem Speiseplan – und es dürfen nur Fischstäbchen einer bestimmten Marke sein, damit der Geschmack immer gleich bleibt. Das Gleiche gilt auch für Getränke: Wasser, Cola und Kakao – etwas anderes kann Pippo nicht trinken.
Das Gefühl, wenn ihn andere auffordern, etwas Neues zu probieren, beschreibt er drastisch:
Iss die lebendige Made, die da gerade noch läuft!
Trotz der einseitigen Ernährung sind seine Blutwerte normal – von Mangel keine Spur. Weil er sich als Kind ganz normal entwickelte, akzeptierten seine Eltern irgendwann, dass er nur Fischstäbchen isst. "Meine Mutter erzählt mir immer, sie hat einmal versucht, mir 'mit Gewalt' etwas zu geben, was ich partout nicht mochte", sagt Pippo. Danach musste er sich erbrechen.
100 neue Lebensmittel in 100 Tagen
Doch nach Jahrzehnten der einseitigen Ernährung kommt nun die Wende: Eine mentale Krise Anfang 2025 ließ Pippo erkennen, dass er etwas ändern muss. Im Juni startete er den Instagram-Kanal @pippoprobiert. Sein Ziel: über ARFID aufklären – und sich selbst mit dem sozialen Druck seiner Follower:innen motivieren, seine Essstörung zu besiegen.
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Bereits wenige Wochen nach dem Start seines Accounts hat er über 30.000 Follower:innen – und manche Clips erreichen mehr als eine halbe Million Aufrufe. Als Challenge hat er sich 100 neue Lebensmittel in 100 Tagen verordnet. Und tatsächlich ist sein Speiseliste seitdem langsam gewachsen: Inzwischen finden darauf sich sogar Paprika, Zucchini oder Reis – ein großer Fortschritt! Tomaten hingegen bleiben für Pippo weiterhin ein No-Go.
"Endgegner Banane"
Und was ist mit Bananen? "Das ist der Endgegner", sagt Pippo. Trotzdem will er sich nun daran wagen. Das Team von "Galileo" hat ihn begleitet, wie er das Obst zum ersten Mal probiert.
Wie es Pippo beim Geschmackstest seiner ersten Banane erging – und wie ihm der vierbeinige Co-Therapeut Jolly auf seinem weiteren Weg helfen kann, das erfährst du in der "Galileo"-Reportage "Wenn Essen Angst macht: 10 Fragen an einen ARFID-Betroffenen" auf Joyn.
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