Freiwilliger Dienst oder Wehrpflicht?

60.000 Soldat:innen fehlen: "Galileo" zeigt, wie die Bundeswehr neue Kräfte gewinnen möchte

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von Julia W.

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Drill, Disziplin, körperlicher Einsatz: So sucht die Bundeswehr nach Nachwuchs

Videoclip • 11:18 Min • Ab 12


Die Bundeswehr steckt in einer tiefen Krise. Marode Infrastruktur, mangelhafte Ausrüstung und vor allem: zu wenig Personal. Wie will die Truppe junge Menschen für sich gewinnen? "Galileo" blickt hinter die Kulissen und beleuchtet, wie die Armee um neue Rekrut:innen kämpft - und um ihre Zukunft.

Der Wehrbericht 2024 legte es schonungslos offen: Die Bundeswehr ist trotz milliardenschwerer Investitionen weiterhin weit von ihrer Einsatzbereitschaft entfernt.

Seit Jahren fordern Verantwortliche wie die Wehrbeauftragte Eva Högl mehr Personal, moderne Ausrüstung und bessere Kasernen - und zwar sofort. Nur hat die sicherheitspolitische Lage die Bundeswehr inzwischen überholt. Russland tritt zunehmend als Aggressor auf und die USA sind als Garant für europäische Verteidigung nicht länger verlässlich.

Wie sicher ist Deutschland wirklich - und wie verletzlich sind wir, wenn es ernst wird? Diesen Fragen geht Journalistin Linda Zervakis in ihrer Reportage "Under Attack - Wer Deutschland bedroht und wie wir uns wehren" nach. Über ein halbes Jahr begleitet sie die Bundeswehr im Alltag, spricht mit Fachleuten, reist an die Außengrenzen Europas und erlebt selbst, wie sich das Land auf mögliche Angriffe vorbereitet. Ein Blick hinter die Kulissen unserer Sicherheit, am 27. Oktober um 20:15 Uhr auf ProSieben und Joyn.

Die Personallage bei der Bundeswehr

Die Situation ist dramatisch. Anstatt zu wachsen, ist die Truppe im vergangenen Jahr sogar geschrumpft: von 181.807 auf 180.976 Soldat:innen. Die politisch beschlossene Zielgröße von 203.000 rückt damit in weitere Ferne.

Zudem steigt das Durchschnittsalter der Armee, mittlerweile liegt es bei 34 Jahren. Gerade die Truppenteile, die junge und belastbare Kräfte brauchen - Unteroffizier:innen etwa - leiden unter massivem Nachwuchsmangel. Laut Wehrbericht konnte ein Fünftel aller Posten in dieser Laufbahngruppe nicht besetzt werden.


Debatte über Wiedereinführung der Wehrpflicht

Das Problem ist nicht neu, doch angesichts der weltpolitischen Lage hat es sich verschärft. Politisch flammt daher die Debatte über die Wiedereinführung der Wehrpflicht auf. Zwischen den Zeilen wird klar: Ohne Zwang wird es immer schwerer, die Personalnot der Bundeswehr zu lindern.

Mittlerweile hat Verteidigungsminister Boris Pistorius ein Gesetz zur Einführung eines neuen Wehrdienstes auf den Weg gebracht. Junge Männer, die 2008 oder später geboren wurden, müssen ab 2026, also mit ungefähr 18 Jahren, einen Fragebogen ausfüllen. Für junge Frauen bleibt dies freiwillig.

Das Ausfüllen des Fragenbogens bedeutet aber nicht automatisch, dass sie zum Wehrdienst eingezogen werden. Die Bundeswehr prüft erst einmal nur, ob die jungen Männer und Frauen für die Musterung infrage kommen. Falls ja, ist diese verpflichtend. Der Wehrdienst selbst bleibt aber vorerst freiwillig. So will sich die Bundeswehr eine Datenbank für den Verteidigungsfall aufbauen, eine Vorbereitung auf Tag X.

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Inside Bundeswehr: Einblick in die Nachwuchssuche

Derzeit setzt die Bundeswehr viel daran, junge Menschen für den Wehrdienst zu begeistern. Wie das in der Praxis aussieht, zeigt die "Galileo"-Reportage "Drill, Disziplin, körperlicher Einsatz: So sucht die Bundeswehr nach Nachwuchs!", die den Alltag bei den sogenannten "Bundeswehr Discovery Days" begleitet.

Junge Menschen zwischen 16 und 20 Jahren dürfen hier für fünf Tage in die Welt der Truppe eintauchen - bei den Minentaucher:innen, den Fallschirmspringer:innen, beim Hubschraubergeschwader oder den Gebirgsjäger:innen. Die Hoffnung: Wer den Alltag bei der Bundeswehr selbst ausprobiert, könnte sich am Ende für eine Karriere in Uniform entscheiden.

Marschieren, zelten und Maultaschen aus der Tüte

Im Beitrag oben schließt sich "Galileo"-Reporterin Claire Oelkers der Gruppe an, die beim Panzerbataillon 363 in der Kaserne Hardheim bei Würzburg einen Schnupperkurs macht. Für die Probe-Rekrut:innen steht gleich ein hartes Programm an: Orientierungsmärsche, Geländebewältigung, Fitness-Test.

Mit zehn Kilogramm Gepäck wird zunächst ein Sieben-Kilometer-Marsch absolviert - ein Vorgeschmack auf die Grundausbildung. Späteres Highlight an diesem Tag: eine Fahrt im Kampfpanzer Leopard. Für die Nachwuchs-Soldat:innen ein aufregendes Erlebnis, für die Bundeswehr eine Chance, Begeisterung zu wecken.

Abends lernen die Nachwuchs-Soldat:innen, wie man ein Biwak aufschlägt und in der Kälte im Freien übernachtet. Zur Verpflegung gibt es EPA: Einmannpackungen, die Speisen wie Gulasch oder Maultaschen direkt aus der Tüte liefern und den Nahrungsbedarf eines ganzen Tages decken. "Ist lecker", urteilt Claire Oelkers, auch wenn sie die Tütchen und Töpfchen ein wenig an Astronautennahrung erinnern.

Doch die "Discovery Days" sind kein Wellness-Urlaub - die Tage sind hart: Aufstehen um 5:30 Uhr, Frühsport bei Morgendämmerung, wenig Schlaf, hoher körperlicher Einsatz. Spätestens hier merken die Jugendlichen, dass eine Armee-Karriere kein Spaziergang ist.

Wehrpflicht - ein Beitrag für den Zusammenhalt?

In der Gesellschaft bleibt das Thema Wehrpflicht umstritten. Viele junge Menschen empfinden sie als Eingriff in ihre Freiheit. Andere sehen die Vorteile: Persönlichkeitsentwicklung und ein stärkeres Bewusstsein für den Wert der Demokratie. Wissenschaftler:innen wie Eva Feldmann-Wojtachnia vom Zentrum für angewandte Politikforschung betonen, dass der Wehrdienst einen Beitrag zum gesellschaftlichen Zusammenhalt bietet: "Die Demokratie ist wertvoll und momentan sehr unter Druck geraten."

Ob die "Discovery Days" am Ende die laut Boris Pistorius fehlenden 60.000 Soldat:innen beschaffen konnten, bleibt fraglich. Wie das Fazit der 25 Probe-Rekrut:innen nach den Schnuppertagen ausfällt und ob sie sich für den Bundeswehrdienst verpflichten wollen, das erfährst du in der "Galileo"-Reportage "Drill, Disziplin, körperlicher Einsatz: So sucht die Bundeswehr nach Nachwuchs!" - jetzt kostenlos auf Joyn.


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