Der Abteilungsleiter des Grauens

Stromberg als Antiheld: Warum wir ihn lieben (oder hassen)

Veröffentlicht:

von Annalena Graudenz

Christoph Maria Herbst schlüpft für seinen neuesten Kinofilm erneut in die Rolle des Bernd Stromberg.

Bild: picture alliance / dpa | Jens Kalaene


Manche Figuren im deutschen Fernsehen bleiben im Gedächtnis. Nicht, weil sie besonders heldenhaft wären, sondern weil sie genau das nicht sind. Bernd Stromberg ist einer von ihnen. Unfreiwillig komisch, oft peinlich und manchmal erschreckend unangebracht - genau diese Mischung hat ihn zum Kult-Antihelden gemacht.

Er ist der überspitzte Prototyp eines Abteilungsleiters einer deutschen Versicherung und vereint Charakterzüge, die das Publikum aus dem eigenen Büroalltag nur allzu gut kennt. Für die einen ist sein Humor nicht mehr zeitgemäß, für die anderen gilt die Figur als Kult.


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Darum funktioniert die Serien-Adaption

"Stromberg" basiert auf der britischen Erfolgsshow "The Office" ist. Während das Original subtiler in seiner Peinlichkeit ist, legt "Stromberg" noch eine Schippe drauf und schafft es, den britischen Humor in die deutsche Wirklichkeit zu holen. Die Büro-Tristesse, die überzeichnete Selbstüberschätzung der Hauptfigur und der typisch deutsche Cringe-Humor machen die deutsche Version zu etwas ganz Eigenständigem. Sie übernimmt zwar das Grundkonzept, übersetzt es aber konsequent in eine andere kulturelle Realität.

Mockumentary: Wenn die Kamera mitleidet

So prägnant wie "Stromberg" nutzen nur wenige Serien den Mockumentary-Stil. Die Kamera begleitet die Angestellten der Capitol Versicherung scheinbar dokumentarisch - als stille Beobachterin, manchmal auch als unfreiwillige Verbündete. Dass die Figuren teils direkt in die Kamera sprechen, erzeugt Intimität, als säße man selbst mit im Konferenzraum.

Eine Machart, die Nähe und Realismus erzeugt, aber auch den typischen Fremdscham-Charakter, für den die Serie so berühmt ist. Das Publikum wird direkt in den absurden Büroalltag hineingezogen.

Antiheld wider Willen: Warum Stromberg (noch immer) funktioniert

Das Herz der Serie schlägt in der Hauptfigur selbst. Mit Bernd Stromberg steht und fällt die Geschichte. Er ist ein Antiheld wie aus dem Bilderbuch: egoistisch, manipulativ, politisch unkorrekt und ständig darum bemüht, besser dazustehen, als er ist. Und trotzdem fasziniert er seit rund zwei Jahrzehnten.

Warum? Weil er so ungefiltert ist. Viele Menschen entdecken Eigenschaften ihrer eigenen Vorgesetzten oder Kolleg:innen in ihm wieder. Seine Fehler, seine Eitelkeiten, seine Sticheleien - all das ist vielleicht überzeichnet, aber doch irgendwie nicht fremd. Genau darin liegt seine Wirkungskraft.

Fremdscham war noch nie so lustig

Ein Humor, der wehtut

"Ich habe mich schon gefragt, wie man eine fossilisierte Figur wie Stromberg, der zu der Zeit, als er das Licht des Fernsehens erblickte, 2005, schon irgendwie in den Achtzigerjahren stehengeblieben war, erzählen will in einer Gesellschaft, die von sich selbst zumindest behauptet, sie sei woke geworden", sagt Christoph Maria Herbst in einem "Spiegel"-Interview. "Stromberg" fällt immer wieder durch sexistische, rassistische und homophobe Sprüche auf.

Ein Humor, der nicht mehr zeitgemäß ist - zumindest, wenn er ernst gemeint wäre. Doch gerade in solchen Momenten entlarvt sich Stromberg selbst. Unangebrachte Kommentare oder Witze lassen ihn nicht lustiger oder sympathischer wirken, im Gegenteil. Sie zelebrieren keine Haltung von "Das wird man ja wohl noch mal sagen dürfen", sondern zeigen, welcher Typ Mensch diese unreflektierten Dinge loslässt. Die Mischung aus Alltagsbeobachtung, bitterem Zynismus und gnadenloser Direktheit unterhält das TV- und Kinopublikum auch heute noch.

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Ein Kult, der bleibt

"Stromberg" ist längst mehr als eine Serie. Es ist ein Kommentar über Arbeitskultur, Führungsweisen und die Absurditäten des Büroalltags. Der neue Kinofilm zeigt, dass der Antiheld auch 2025 noch Menschen unterhält. Wir alle kennen jemanden, an den Stromberg uns erinnert. Der Mix aus Unterhaltung, Satire und Selbsterkenntnis im Spannungsfeld zwischen herrlich daneben und schmerzhaft unangenehm machen Stromberg zu einer einmaligen Figur der deutschen Serienlandschaft.

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