Vor 50 Jahren
True Crime: War Mörder und Sektenführer Charles Manson ein Narzisst?
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von Annalena GraudenzCharles Manson war ein gescheiterter Musiker und Möchtegern-Guru, der seine Schwierigkeiten, in der Gesellschaft Fuß zu fassen, in einen zerstörerischen Kult verwandelte.
Bild: picture-alliance / dpa | UPI; KI-Generiert mit Dall-E
Während sich 1969 in Kalifornien die Hippie-Bewegung formierte, gründete Charles Manson seine mörderische "Familie". In der Doku "Die Frauen der Manson-Family: 50 Jahre danach" sprechen ehemalige Anhängerinnen, wie sie zu Mörderinnen wurden. Wir haben mit den True-Crime-Podcasterinnen von "Eyes in the Dark" über den Fall Manson gesprochen.
Ein gescheiterter Musiker mit dunkler Mission
Eigentlich wollte Charles Manson Musiker werden. Aber schon in seinem Song "Cease to exist" sang er "Hübsches Mädchen, höre auf zu existieren, gib Deine Welt auf und sag, dass Du mich liebst". Auch, wenn seine Karriere scheiterte, konnte er diese düstere Forderung erschreckend leicht in die Tat umsetzen. Nachdem sich ihm und seiner sektenähnlichen Gruppe immer mehr Anhänger:innen anschlossen hatten, zogen sie auf eine verlassene Ranch außerhalb von Los Angeles. Bis heute ist die die Gruppierung bekannt als die "Manson-Familie".
Charles Manson war fest davon überzeugt, dass eine bevorstehende Rassen-Apokalypse Amerika ins Chaos stürzen würde. Er inszenierte sich dabei als Retter, der seine "Familie" durch die Dunkelheit führen kann. Nachdem sein Traum von der Musikkarriere gescheitert war, richtete sich sein Zorn gegen jene Welt, die ihn ablehnte.
War Charles Manson ein Narzisst? Das sagen die True-Crime-Expertinnen von "Eyes in the Dark"
Um den Fall Manson einzuordnen, haben wir Laura und Sarah, die Hosts des True-Crime-Podcasts "Eyes in the Dark" nach ihrer Expertenmeinung gefragt.
Redaktion: Wie schätzt ihr Charles Mansons Persönlichkeit ein?
Laura und Sarah: Wenn man sich mit Charles Manson beschäftigt, stößt man schnell auf die Vermutung, dass er unter einer schweren Persönlichkeitsstörung gelitten haben könnte – oft ist dabei von narzisstischen oder antisozialen Zügen die Rede. Tatsächlich gibt es einige Verhaltensweisen, die zu diesem Bild passen: Manson zeigte kaum Empathie, hatte ein starkes Bedürfnis nach Bewunderung, sah sich selbst als außergewöhnlich und nutzte andere gezielt für seine eigenen Zwecke. Auch sein fehlendes Schuldbewusstsein und sein starkes Kontrollbedürfnis würden grundsätzlich in dieses Muster passen.
Man kann also festhalten: Viele Punkte weisen auf eine Persönlichkeitsstörung hin, dennoch wäre es falsch, eine eindeutige Diagnose zu stellen – das bleibt Fachleuten vorbehalten. Wichtig ist, solche Begriffe achtsam und differenziert zu verwenden, gerade weil Bezeichnungen wie "Narzisst" heutzutage oft inflationär und vorschnell gebraucht werden. Dadurch verlieren sie an Bedeutung und können den Blick auf die tatsächliche Komplexität solcher Persönlichkeiten verzerren.
Sommernächte des Grauens
Das Ergebnis dieser psychischen Auffälligkeiten zeigte sich nicht nur in der Manipulation und Wahnvorstellungen, sondern gipfelte im Sommer 1969 auch in einem brutalen Gewaltakt. Im August brachen mehrere Mitglieder der Manson-Familie in ein Haus in den Hügeln von Los Angeles ein. Nicht in irgendein Haus, sondern in die Villa von Roman Polański und dessen hochschwangeren Ehefrau Sharon Tate. Während der Regisseur sich für Filmarbeiten in London aufhielt, war Tate mit Freund:innen daheim, als sie von vier Mitgliedern überfallen wurden.
Am folgenden Abend kam es erneut zu Morden. Manson fuhr gemeinsam mit Mitgliedern seiner Gruppe durch Los Angeles und hielt scheinbar ziellos an einem Haus, dessen Hintertür unverschlossen war. Das dort lebende Ehepaar wurde im Schlaf überfallen und ebenfalls getötet - Manson ließ die Arbeit jedoch von seinen Anhänger:innen machen und entfernte sich vor den Morden vom Tatort.
Junge Menschen, berauscht von Ideologie und Drogen, folgten Mansons Befehlen ohne Zögern und begannen eine Reihe grausamer und äußerst brutaler Morde. Sie hinterließen zudem mit Blut geschriebene Botschaften. Doch wie schafft man es, Menschen so zu manipulieren, dass sie solche Taten begehen?
Die Manson-Family: "Eyes in the Dark" über Abhängigkeit, Isolation und Manipulation
Redaktion: Wie hat Manson es geschafft, die Menschen so sehr in seinen Bann zu ziehen, dass sie bereit waren, für ihn zu töten?
Laura und Sarah: Manson hat das vor allem geschafft, weil er gezielt Personen um sich sammelte, die besonders empfänglich für seine Botschaften waren. Viele seiner Anhänger*innen waren jung, suchten Halt, Sinn oder einfach einen Platz, an dem sie sich zugehörig fühlten. Er hat dieses Bedürfnis nach Hoffnung und Orientierung erkannt – und es gnadenlos ausgenutzt.
Mit einer Mischung aus Charisma, psychologischem Druck und geschickter Manipulation schaffte er es, eine Art Abhängigkeit aufzubauen. Er gab sich als spirituelle Führungsperson aus, versprach Freiheit und Erleuchtung, kontrollierte aber gleichzeitig jedes Detail im Leben seiner "Family". Drogen, Isolation von der Außenwelt und ständige Wiederholungen seiner Ideen halfen ihm, ihre Wahrnehmung zu verzerren. Irgendwann war für viele das, was Manson sagte, die einzige Wahrheit. Die Grenzen zwischen richtig und falsch verschwammen, und durch die Gruppendynamik wurde dieses Denken noch verstärkt – bis manche schließlich bereit waren, Dinge zu tun, die sie allein wohl nie getan hätten.
Spannende Doku über Charles Manson
Doch wie erlebten die Mitglieder der Manson-Family diese Zeit wirklich? Welche Mechanismen führten dazu, dass junge Menschen zu Mördern wurden? In der Doku "Die Frauen der Manson-Family: 50 Jahre danach" erzählen einige seiner Anhängerinnen, wie sie die Situation damals wahrgenommen haben. Und wie Manson es geschafft hat, sie zu willenlosen Werkzeugen seiner dunklen Ideologie zu machen.
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