Jubiläum der Kultursendung
"Politische Kulturberichterstattung ist essentiell": Moderator Jo Schück über 60 Jahre "aspekte"
Aktualisiert:
von André M. A.Jo Schück weiß, warum es als Kulturjournalist hilfreich ist, auch selbst kreativ tätig zu sein.
Bild: Jo Schück
Seit 60 Jahren taucht "aspekte" in die deutsche Kulturlandschaft ein. Moderator Jo Schück blickt im Interview auf die Geschichte der Sendung zurück. Außerdem erklärt er, warum Kultur für ihn Grundversorgung ist, was ihn an BookTok stört und welche Erwartungen er an die Politik hat.
60 Jahre "aspekte": Was begeistert Sie am meisten daran, die Sendung heute mitzugestalten?
Jo Schück: Wir haben natürlich riesige Fußstapfen. Früher haben meistens alte Herren rauchend, Weinbrand trinkend im Studio gesessen und haben den Leuten teilweise erklärt, wie sie Bürgerinitiativen gründen können. Das waren schon echt krasse Fernsehmomente. Ich bin dankbar und demütig, dass ich diese Fußstapfen jetzt irgendwie versuchen darf, mit auszufüllen. Ich mache das schon seit zwölf Jahren, und ich glaube, diesen "aspekte"-Dinosaurier haben wir relativ erfolgreich aus der Vergangenheit in Gegenwart und hoffentlich auch in die Zukunft geritten.
Wenn Sie auf die letzten Jahre zurückblicken: Gab es einen "aspekte"-Moment, der Ihnen persönlich bis heute nachgeht?
Jo Schück: Ich hatte das große Glück, viele Reisen machen zu dürfen – etwa eine Reportage in Israel, einen Besuch in den USA vor der Wahl oder Drehs in Ungarn, Litauen, Moldau und zuletzt in Slowenien. Besonders in Erinnerung geblieben sind mir aber auch einzelne Specials: etwa mit Herbert Grönemeyer oder mit Igor Levit, als wir 45 Minuten lang Beethoven auseinandergenommen haben. Das war auf eine Art und Weise spannend, die, glaube ich, selbst Menschen interessiert hat, die mit Beethoven eigentlich nichts am Hut haben. Für mich war das ein riesiger Spaß.
In Berlin und anderen Städten wird gerade heftig über Kürzungen im Kulturbudget gestritten. Wie sehr ist Kultur für Sie Grundversorgung – und wie sehr Luxus?
Jo Schück: Die Kürzungen im Kulturbereich sind wirklich dumm. Wir reden alle darüber, dass wir unsere Demokratie retten wollen, und dann kürzen wir im Kulturbereich. Das ist wirklich absolut nicht nachvollziehbar. Kultur ist Leben, Kultur ist Alltag, Kultur ist doch das, was wir jeden Tag machen. Kultur bedeutet ja vor allem diesen berühmten Kitt, der die Gesellschaft zusammenhält. Wenn man da spart, dann spart man wirklich am Rückgrat einer Gesellschaft. Es muss nicht jeder wissen, wer Beethoven ist, es muss auch nicht jeder ins Theater gehen oder jeden Kinofilm gesehen haben. Aber wir sind doch alle kulturelle Akteure. Wenn du mal auf ein Billie Eilish-Konzert gehst und da stehen 50.000 Leute, die zusammen ein Lied singen und sich zusammen in die Arme fallen, ist das ein kulturelles Event, was so stilprägend für eine Demokratie sein kann, dass es wirklich Quatsch ist, als allererstes bei der Kultur den Rotstift anzusetzen.
Richtig, Kultur findet nicht nur im Theater oder Museum statt, sondern auch auf Plattformen wie TikTok – von BookTok bis zu Italian Brainrot gibt es da einige Phänomene. Wie blicken Sie als Kulturjournalist auf diese Entwicklung?
Jo Schück: Am Anfang hat es mich ehrlicherweise überrascht, dass etwas wie "BookTok" so erfolgreich geworden ist und dass Verlage ihr Sortiment teilweise komplett umgestellt haben, weil sie plötzlich eine Zielgruppe erreicht haben, mit der sie gar nicht mehr gerechnet hatten. Das ist einerseits eine positive Entwicklung. Andererseits habe ich auf der letzten Leipziger Buchmesse gesehen, wie viele Stände fast ausschließlich auf diese Young-Adult-Romance-Literatur ausgerichtet sind. Das muss man kritisch begleiten, denn nicht alles daran ist gut. Teilweise tauchen dort auch seltsam rückwärtsgewandte Erzählungen auf. Geschichten, in denen – überspitzt gesagt – der reiche, muskulöse, starke Prinz die arme, blonde Frau in einer Fantasywelt retten muss. Und da denke ich mir manchmal: Eigentlich hatten wir diese Narrative doch längst hinter uns gelassen.
Der neue Kulturstaatsminister Wolfram Weimer ist inzwischen über 100 Tage im Amt. Welche erste Bilanz ziehen Sie?
Jo Schück: Für mich ist Weimer eine schillernde Figur. Einerseits hat er seit seinem Amtsantritt durchaus gute Themen wie die Macht der Tech-Konzerne angesprochen. Da hat er einen Punkt: Unser Kommunikationsraum ist durchaus in Gefahr durch einen übergeordneten Tech-Kapitalismus, der sich auch noch mit einem Autoritarismus ins Bett gelegt hat. Andererseits konnte ich bislang nicht erkennen, was eigentlich sein übergeordnetes Konzept ist. Und ich habe, wie bei allen Kulturstaatsministerinnen und -ministern zuvor, die Sorge, dass er sich in der Bundesregierung mit seinen Anliegen nicht durchsetzen kann. Zusätzlich hat Weimer sich im Kulturbetrieb nicht nur Freunde gemacht – etwa mit seinen Gender-Erlassen, die viele irritiert haben. Da fragt man sich schon: Müssen wir dieses Thema wirklich wieder aus der Mottenkiste holen? Da hätte ich mir eher mehr Energie für kleine und subkulturelle Akteure gewünscht.
Sie beschäftigen sich beruflich mit Kultur in all ihren Facetten. Wie sieht das privat aus – was inspiriert Sie im Alltag am meisten?
Jo Schück: Ich versuche tatsächlich, den neuesten "heißen Scheiß" im Serienbereich im Blick zu behalten – ich verbringe also viel Zeit vor Bildschirmen. Aber ich bin schon immer musikbegeistert. Angefangen hat das im Zeltlager, als ich neun Jahre alt war: Mein Gruppenleiter spielte Gitarre, und das wollte ich unbedingt auch können. Ich habe irgendwann das Klavier spielen gelernt. Dementsprechend hat mich Musik immer begleitet. Ich habe mit 14 die erste Rock'n'Roll-Band gegründet und bin auch jetzt wieder im hohen Alter in Musik-Combos unterwegs. Musik hat mich mein ganzes Leben begleitet und prägt meinen Alltag bis heute.
Sie machen Musik, haben aber auch ein Buch geschrieben. Hilft es, wenn man als Kulturjournalist auch die Seite des Kulturschaffenden kennt?
Jo Schück: Ja, das glaube ich schon. Man muss als "aspekte"-Moderator sicherlich nicht jedes Kulturprodukt selber mal erzeugt haben. Aber zu wissen, was ein kreativer Schaffensprozess bedeutet, ist definitiv hilfreich. Gleichzeitig warne ich davor, vor allem mich selbst: Bloß weil ich ein Buch geschrieben habe und ein paar Akkorde auf der Gitarre spielen kann, würde ich mich selber nicht als Künstler bezeichnen. Gerade im Musikjournalismus gibt es viele gescheiterte Rockstars, die dann Kritiker geworden sind. Davor sollte man sich schon ein bisschen hüten. Als Journalist geht es nicht darum, selbst berühmt zu werden, sondern Geschichten zu erzählen und die einem Publikum zugänglich zu machen. Trotzdem hilft es natürlich, wenn man privat ins Kino, ins Theater, auf Festivals oder Rockkonzerte geht. Dann ist man einfach näher an der Materie als jemandem, dem eine Band wie "Die Ärzte" völlig egal ist.
Was muss denn passieren, damit "aspekte" auch noch weitere 60 Jahre bestehen bleibt?
Jo Schück: Zunächst einmal muss das ZDF überleben. Der öffentlich-rechtliche Rundfunk ist ja zu Recht im Umbruch – es wird viel darüber diskutiert, was er künftig leisten soll. Aber "aspekte" hat nun 60 Jahre lang bewiesen, dass politische Kulturberichterstattung essentiell ist. Sie ist eine der wichtigsten Säulen des öffentlich-rechtlichen Systems. Solange dieses System besteht, habe ich große Hoffnung, dass auch "aspekte" weiter bestehen wird.
Hier kannst du die ZDF-Doku streamen
Die Jubiläums-Doku "Kultur, Krawall und Klassiker – das Beste aus 60 Jahren aspekte" fasst unvergessliche Momente der "aspekte"-Geschichte zu einer kurzweiligen Zeitreise zusammen. Zu sehen am Freitag, 3. Oktober um 0.35 Uhr im ZDF und kostenlos im ZDF-Livestream auf Joyn.
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