Interview zur neuen Staffel
Interview mit "XY gelöst"-Moderator Sven Voss: "Es gibt nichts Brutaleres als die Realität"
Aktualisiert:
von Rebecca N.Sven Voss moderiert seit 2022 die Sendung "XY gelöst". Die neuen Folgen erscheinen im Juni 2025.
Bild: ZDF / Oliver Rüther /
Die vierte Staffel "XY gelöst" präsentiert wieder packende True-Crime-Fälle. Wir haben den Moderator Sven Voss gefragt, wie ihn die Schicksale hinter den Verbrechen berühren und was er aus der Arbeit mitnimmt - besonders, wenn ein verurteilter Mörder sich mit seiner eigenen Version der Geschichte meldet.
Das Fernsehpublikum war es lange gewohnt, Sven Voss auf dem Fußballfeld oder im "Aktuellen Sportstudio" zu sehen - als Sportmoderator für das ZDF. Seit einigen Jahren ist der 48-Jährige für "XY gelöst" auch an Schauplätzen von Verbrechen unterwegs. In der Sendung trifft Voss Ermittler:innen und Expert:innen und rekonstruiert gemeinsam mit ihnen Kriminalfälle, die nach langer Zeit aufgeklärt werden konnten. Joyn hat ihn zum Gespräch getroffen, bevor die vierte Staffel des Formats ab dem 11. Juni im ZDF läuft.
Doppelfolge "XY Gelöst" am 18. Juni um 20:15 Uhr
Herr Voss, Sie moderieren "XY gelöst" nun schon seit 2022. Wie hat sich Ihre persönliche Sicht auf Verbrechen, Gerechtigkeit und die Rolle des Publikums bei der Aufklärung durch Ihre Arbeit an der Sendung verändert?
Sven Voss: Ich würde nicht sagen, ich gehe jetzt vorsichtiger durchs Leben, auch nicht misstrauischer, aber vielleicht ein bisschen bewusster. Ich finde es immer ganz spannend, zu erfahren, wie die Wahrnehmung von Menschen ist. Wenn wir einen Krimi gucken, kommt eine Zeugenaussage und man nimmt das dann immer für bare Münze. Aber wenn man einmal darüber nachdenkt, wie viele Eindrücke man täglich aufnimmt - Farben, Situationen, Kennzeichen, Gesichter -, wird schnell klar, dass das Gedächtnis einen im Stich lässt. Damit haben natürlich auch die Ermittlerinnen und Ermittler zu kämpfen. Das ist eine Sache, die ich gelernt habe.
Das andere ist, dass ich durch die Tatsache, dass so viele Verbrechen aufgeklärt werden konnten, auch ein bisschen zuversichtlicher geworden bin.
Und ich habe gelernt, dass die Ermittler und Ermittlerinnen wissen, was sie tun. Mit ihrem Verstand und mithilfe modernster Technik kommen sie Verbrechern auf die Spur und nehmen gerne die Aussagen oder die Hinweise durch Zuschauerinnen und Zuschauer von "Aktenzeichen XY ... Ungelöst" entgegen.
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In einem Interview mit der "Gala" im vergangenen Jahr haben sie erzählt, dass Sie einen Brief von einem verurteilten Mörder erhalten haben, der seine Unschuld beteuerte. Können Sie uns Ihre Gefühle beim Lesen dieses Briefes schildern? Wie haben sie damals reagiert?
Sven Voss: Ich habe mir da erst gar nicht so viele Gedanken gemacht. In meinem ZDF-Postfach landete ein Brief von jemandem, der wegen Mordes verurteilt wurde. Er hat mir mit der Schreibmaschine geschrieben hat, dass er das im Fernsehen gesehen hätte, dass wir über seinen Fall berichtet haben. Er wollte dazu nochmal sagen, dass er es gar nicht war. Und wir sollten uns doch nochmal dahinterklemmen und das richtigstellen. Ich gebe sowas dann schnell an das Justiziariat. Der Mann hat in der Tat noch ein zweites Mal geschrieben.
Dass mir jetzt ein verurteilter Mörder schreibt, ist etwas, was ich vorher logischerweise noch nicht erlebt hatte - und auch ungern nochmal erleben möchte. Ich bin kein Ermittler, ich kläre das Verbrechen nicht selber auf. Ich habe nur eine ganz klare Meinung dazu: Verbrecher gehören hinter Schloss und Riegel und da vertraue ich auch völlig unseren Sicherheitsbehörden, mit denen ich ja für "XY gelöst" viel zusammenarbeite. Ja, also wirklich eine unangenehme Sache, die ich da erlebt habe.
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Sven Voss spricht mit seinen Kindern über Verbrechen
Bei "XY gelöst" stehen die Ermittlungserfolge im Mittelpunkt. Gibt es einen Fall, dessen Lösung Sie persönlich besonders berührt hat? Warum?
Sven Voss: Besonders sind es Fälle mit Kindern, die mich dann auch wirklich nachhaltig belasten. Ich bin selber Familienvater, meine Kinder sind 13 und 17 Jahre alt. Und da macht man sich schon dann auch Gedanken und stellt Bezüge her zwischen den Fällen, die da passiert sind. Wenn Kinder verschwunden sind, nicht wieder aufgetaucht sind, denen schreckliche Dinge zugestoßen sind.
Auch da ziehe ich aus diesen emotionalen Erfahrungen etwas Positives raus. Man muss auch mit seinen Kindern über Dinge sprechen. Es hilft nichts, sie in Watte zu packen. Man muss ihnen auch sagen, in welcher Welt sie heute leben, ohne ihnen komplett Angst zu machen. Ich finde, das ist unsere Aufgabe als Eltern.
Ich bin kein Ermittler, ich kläre das Verbrechen nicht selber auf.
Haben Sie trotz allem noch Lust auf Krimis oder True Crime?
Sven Voss: Auf True Crime, ja. Ich bin mit "Aktenzeichen XY ... ungelöst" aufgewachsen. Ich habe es früher durch die Finger geguckt, weil mir bewusst war, dass das, was da jetzt gezeigt wird, wirklich so passiert ist. Es gibt nichts Brutaleres als die Realität. Ich habe auch nach wie vor Interesse an Geschichten, an dem Schicksal von Menschen. Deswegen fühle ich mich bei diesem Format genau richtig, weil wir eben nicht nur die Perspektive der Ermittlerinnen und Ermittler zeigen, sondern auch die Opferperspektive. Das ist ein ganz, ganz wichtiger Teil, dass man das Geschehene nicht vergisst und auch die Hinterbliebenen nicht vergisst. Täter und Opfer haben auch ein Recht auf Vergessen, das ist schon klar. Aber die Fälle, die wir zeigen, die sind so spektakulär, dass es dort ein öffentliches, ein gesellschaftliches Interesse gibt.
True Crime ist gerade ein riesiges Phänomen. Glauben Sie, dass das Interesse an echten Kriminalfällen auch problematisch sein kann? Wo verläuft die Grenze zwischen Sensationslust und Aufklärung?
Sven Voss: Wenn ich in Bezug auf True Crime "problematisch" höre, dann finde ich, sind es die Mittel des Fernsehens und bei YouTube, mit denen Sachen zugespitzt oder dramatisiert werden. Also wenn mit stilistischen Mitteln Situationen erzeugt werden, die so nicht stattgefunden haben. Bei True Crime - das steckt ja auch im Wort - gibt es für mich nach wie vor die goldene Regel: Es muss genauso abgebildet werden, wie es geschehen ist. Deswegen ist es für mich eine journalistische Aufgabe, dass wir bei "XY gelöst" und allen anderen "XY"-Formaten nur das zeigen, was auch wirklich so passiert ist.
Wir arbeiten uns da anhand der Akten ran, anhand von Aussagen der Ermittlerinnen und Ermittler und von Zeugen. Und wir gießen da keine Dramasoße drüber, um den Zuschauer irgendwie vor dem Fernseher zu halten. Wir zeigen auch nicht Gewalt, um Gewalt zu zeigen. Das ist mir auch ganz wichtig zu sagen.
Das Phänomen True Crime lebt einfach von diesem Blick durchs Schlüsselloch, diesem Gruseln durchs Schlüsselloch. Das muss man nicht noch künstlich verstärken. Wir haben ja auch Nachstellungen, die wir zeigen. So haben die Fälle stattgefunden. Und ich lege meine Hand dafür ins Feuer, dass das auch so passiert ist.
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Bild: ZDF / Marcus von Kleist
Warum sollte man sich die vierte Staffel "XY gelöst" unbedingt ansehen?
Sven Voss: Wir haben bei den vier Fällen, die wir im Juni zeigen, eine gute Mischung gefunden. Der herausforderndste und spektakulärste Fall ist ein Bankraub in Berlin von 1995, bei dem Verbrecher in eine Bank eindringen und 16 Menschen als Geisel nehmen. Sie verhandeln immer mal wieder mit den Polizisten von damals, die 1995 einfach vielleicht noch nicht so weit waren wie heute. Auf jeden Fall haben die Geiselnehmer utopische Forderungen gestellt. Was dahinter steckte: Das Ganze war nur ein riesiges Ablenkungsmanöver. In Wirklichkeit hatten sie schon Jahre zuvor einen gewaltigen Tunnel gebaut, der zu dieser Bank hinführte, beziehungsweise von der Bank wegführte. Und irgendwann kam raus, dass sie längst durch diesen Tunnel verschwunden sind, mit einer gewaltigen Summe.
Das ist ein sehr, sehr spannender Fall. In diesem Fall waren auch die szenischen Rekonstruktionen wirklich anspruchsvoll, weil wir so viele Menschen dort in einer Bank zeigen mussten. Das waren schon filmische Herausforderungen wie bei einem Spielfilm und ich finde, das ist uns auch toll gelungen.
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