Neue Reportage

El Salvador: "Uncovered" auf den Spuren des selbsternannten "coolsten Diktators der Welt" und seine brutalen Methoden

Aktualisiert:

von Claudia Frickel

Politiker und Unternehmer Nayib Bukele ist seit 2019 der Präsident El Salvadors.

Bild: ProSieben/ picture alliance


Jahrzehntelang hielten brutale Gangs El Salvador im Würgegriff. Bis Präsident Nayib Bukele an die Macht kam. Doch der Autokrat regiert mit harter Hand. Für "Uncovered" spricht Thilo Mischke mit glühenden Fans von Bukele – und mit einem Opfer.

Wie Präsident Bukele El Salvador unterjocht und kontrolliert

Er trägt Baseball-Caps und Lederjacke, postet Selfies und ist erst 44 Jahre alt: Nayib Bukele inszeniert sich gern als unkonventioneller Politiker. Doch der "coolste Diktator", wie er sich selbst nennt, regiert mit unerbittlicher Härte.

Seit März 2022 gilt in El Salvador der Ausnahmezustand, durch den grundlegende Rechte wie Versammlungs- und Pressefreiheit stark eingeschränkt sind. Sicherheitskräfte haben erweiterte Befugnisse.

Ursprünglich auf 30 Tage befristet, wurde der Ausnahmezustand inzwischen 41-mal verlängert – und gilt bis heute. Polizei und schwerbewaffnete Militäreinheiten patrouillieren immer auf den Straßen. Mehr als 82.000 mutmaßliche Bandenmitglieder ließ Bukele seitdem verhaften. Viele sitzen ohne Gerichtsverfahren in massiv überfüllten Gefängnissen.

Der Auslöser für Bukeles Durchgreifen war eine brutale Morddserie durch Bandenkriege. 87 Menschen waren in nur drei Tagen gestorben. Seit dem rigorosen Vorgehen ist die Mordrate um 90 Prozent gesunken.

Du siehst, du hörst und du hältst den Mund. Es erfüllt alle Kriterien einer Diktatur

Fotojournalist Juan Carlos aus El Salvador

"Laut der Regierung sind wir jetzt frei von Gang-Gewalt", erzählt der Fotojournalist Juan Carlos. "Diese Strukturen wurden zerschlagen."  Aber das heißt nicht, dass nun alles gut ist: "Wir sind nicht frei, weil die Menschen jetzt Angst vor der Regierung haben", sagt er zu Thilo Mischke.

Der ProSieben-Reporter kennt El Salvador, er hat schon früher von dort berichtet. Jetzt erlebt er das Land ganz anders. Er besucht ein Viertel, durch das früher die Frontlinie der brutalen Bandenkriege verlief. Heute kann er dort mit den Bewohner:innen herumlaufen. Die Polizeipräsenz ist unübersehbar.

Das Glück in den Gesichtern der Menschen zu sehen, berührt mich. Aber ich frage mich: Was ist der Preis?

Reporter Thilo Mischke

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El Salvadors Präsident Nayib Bukele ist erst 44 Jahre alt – und regiert sein Land mit harter Hand.

Bild: picture alliance / ASSOCIATED PRESS


Die Lage in den Gefängnissen von El Salvador

Wer verhaftet wird, bekommt in El Salvador oft keinen Prozess. Viele der Häftlinge sitzen im berüchtigten Hochsicherheitsgefängnis CECOT ein. Mit Platz für 40.000 Häftlinge gilt es als das größte in Lateinamerika. Amnesty International kritisiert die Haftbedingungen stark, es soll auch Todesfälle geben. Human Rights Watch spricht von schweren Menschenrechts-Verletzungen, darunter Folter an aus den USA deportierten Venezolanern.

Der Izalco-Knast ist ein weiteres Symbol für die dunkle Seite von Bukeles Durchgreifen: Tausende Männer sitzen im "Todesgefängnis" ein, es ist massiv überfüllt. Seit Beginn des Ausnahmezustands starben dort über 180 Insassen.

Auch Victor Barahona saß in Izalco ein – zehn Monate lang. "Es war unmenschlich, es war physische und psychische Folter", erzählt der Journalist. Wegen unbequemer Berichterstattung war er ins Visier der Behörden geraten. Zusammen mit 230 Häftlingen wurde er in einem Bereich gefangen gehalten, der eigentlich Raum für 40 Menschen bot.

Jeder von ihnen bekam nur ein Glas Wasser pro Tag. Keiner war ein Gangmitglied, "wir haben nichts verbrochen", sagt der Journalist. Er wurde schließlich freigelassen. In der Reportage hörst du aber auch die Geschichte eines Mannes, der willkürlich festgenommen wurde und im Gefängnis starb. Wie, das weiß seine Witwe bis heute nicht. "Er war unschuldig", sagt sie bei seiner Beerdigung.

Mittlerweile sitzt ein Prozent der Bevölkerung von El Salvador hinter Gittern – das ist die höchste Gefangenenrate der Welt.

Sie behandelten uns wie Ratten, wie Müll.

Journalist Victor Barahona, Opfer des Bukele-Regimes

Blick auf eine überfüllte Zelle im berüchtigten CECOT-Gefängnis in El Salvador.

Bild: picture alliance / Anadolu


Bukeles Fans verehren ihn wie einen Engel

Nayib Bukele hat sich nicht an die Macht geputscht, er wurde 2019 demokratisch gewählt. Inzwischen kontrolliert seine Partei Nuevas Ideas das Parlament. Richter:innen und Staatsanwälte wurden entmachtet und durch loyale Anhänger:innen ersetzt. Zudem beschloss das Parlament 2025 eine Verfassungsänderung, die Bukele eine unbegrenzte Wiederwahl erlaubt.

Tatsächlich sind seine Zustimmungswerte hoch: 80 bis 90 Prozent unterstützen seine Politik. 2024 wurde er erneut gewählt.

"Ich würde mein Leben für unseren Präsidenten geben", erzählt Ana Rubia Thilo Mischke. Ihr Sohn wurde vor Jahren von einem Bandenmitglied angeschossen und sitzt seitdem im Rollstuhl. Sie ist eine glühende Anhängerin des Autokraten. Er habe es schließlich an "Einziger geschafft, das Morden zu beenden". Für sie ist klar: Bukele ist "ein Engel". Als er gewählt wurde, habe "Gott eine Botschaft geschickt".

In Thilo Mischkes Reportage erfährst du außerdem, wie ein Polizist zugibt, dass Tausende Unschuldige verhaftet wurden, warum niemand so genau hinschaut, wie Bukele vorgeht, und wieso das Justizopfer Victor Barahona trotz allem noch Hoffnung hat.

"Dikta-Tour - das Comeback der Autokraten" kannst du kostenlos auf Joyn und oben im Video streamen.

Und gleich im Anschluss an den Film läuft um 22:30 auf Joyn der "Dikta-Tour. Live-Talk zum Film - mit Thilo Mischke und spannenden Gästen".

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